„Persönliche Interaktion im stationären Handel ist ein Asset, das man durch digitales Marketing nicht erreichen kann.“
Peter Schmidt
Bereichsleiter bei der Rudolf Wöhrl AG
Peter Schmidt ist seit zwei Jahren Bereichsleiter bei der Rudolf Wöhrl AG und verantwortet die Bereiche Multichannel und Transformation. Zuvor hat er als Projektleiter bei der Unternehmensberatung A. T. Kearney europaweit Kunden in der Konsumgüterindustrie und im Einzelhandel in allen Fragen zu Transformationen und Digitalisierung beraten.
Was sind für Sie aktuell die drei wichtigsten Herausforderungen mit Blick auf den Trend zu Seamless Shopping über mehrere Kanäle hinweg?
Zunächst einmal sind wir froh und stolz, unseren Kunden ein wirkliches Multichannel-Angebot bieten zu können – und dass sich unser stationäres Kerngeschäft und unser digitales Curated Shopping-Angebot myoutfit so gut ergänzen und nicht nur „seamless“ nebeneinander bestehen.
Wesentliche Herausforderungen für uns sind die Folgenden:
- Weiterentwicklung unseres digitalen Angebotes
Mit Curated Shopping übersetzen wir unsere Kernkompetenz – kompetente Beratung und das Zusammenstellen von individuellen Outfits – in eine moderne, zeitgemäße Form. Dies soll jedoch nur der erste Schritt in Richtung eines vollständig digitalisierten Unternehmens sein. Wir wollen dabei aber nicht nur den nächsten „me-too“ Online-Shop anbieten, sondern uns weiterhin erfolgreich am Markt gegenüber stationären Wettbewerbern und Online-Pure-Playern differenzieren.
- Integriertes Marketing/Kommunikation
Unser stationäres Kerngeschäft und unser digitales Curated Shopping-Angebot myoutfit stehen natürlich auf einem breiten gemeinsamen Fundament. Wir möchten jedoch auch jeweils sehr spitz kommunizieren und haben online teilweise andere USPs und Verkaufs-/Kommunikationszyklen.
- Belohnung unserer stationären Kollegen
Die Unterstützung unserer stationären Verkaufsmitarbeiter für myoutfit ist wirklich toll. Wir arbeiten kontinuierlich daran, die Unterstützung aus den Filialen noch weiter zu verbessern und auch zu belohnen. Denn dort haben wir jedes Jahr mehrere Millionen persönliche Interaktionen – ein Asset, das man durch digitales Marketing nicht erreichen kann. Diesen signifikanten Wettbewerbsvorteil wollen und müssen wir bestmöglich nutzen.
Wenn Sie noch einmal im Jahr 2010 wären und praktisch unlimitiertes Budget hätten, welche Entscheidungen bezüglich Multichannel würden Sie anders treffen?
Wir sind einmal zu schnell auf den Digitalisierungszug aufgesprungen und ein wenig der Versuchung erlegen, möglichst schnell online zu sein. Im Nachhinein (und diese Betrachtung ist immer einfach und nicht gerecht) hätten wir noch mehr konzeptionelle und strategische Vorarbeiten leisten können. Darüber hinaus hätten wir wohl von Anfang an stärker Know-how internalisieren sollen.
Neben dem Kundennutzen, welche Vorteile hat die Stylecard für Wöhrl?
Neben den zahlreichen Vorteilen für unsere Kunden wie attraktiven Preis- und Servicevorteilen, Einladungen zu exklusiven Kundenevents und ausgewählten Trend- und Style-News, lernen wir durch die stylecard natürlich auch unseren Kunden besser kennen. Diese Informationen sind heute von unschätzbarem Wert, denn nur wer die Bedürfnisse seiner Kunden frühzeitig erkennt und sie zu befriedigen weiß, kann heute erfolgreich sein. Auf Basis unserer jahrzehntelangen erfolgreichen Präsenz vor Ort und unserer Erfahrung als lokaler Platzhirsch konnten wir einen überdurchschnittlich hohen Stammkundenanteil von knapp 70 Prozent aufbauen – viele davon beehren uns bereits seit Jahren und Jahrzehnten.
Und wir konnten zahlreiche, aussagekräftige Informationen sammeln, die unser CRM-Team kontinuierlich aufbereitet und im Interesse unserer Kunden operationalisiert.
Dies gilt natürlich für unser stationäres Geschäft genauso wie für unser Online-Angebot. Dies ist einer der maßgeblichen Faktoren für unseren Erfolg. Ein ganz konkretes (Multichannel) Beispiel: wir nutzen unser CRM-System auch für unser digitales Curated Shopping Angebot myoutfit. Neben der Erfahrung und Kompetenz unserer Outfitexperten ist dies einer der maßgeblichen Faktoren für unseren Erfolg und unsere sehr wettbewerbsfähigen Retourenquote.
Mit dem Service myoutfit erstellen Experten individuelle Outfits für Ihre Kunden. Ist dieser Service primär dem Bereich Marketing zuzuordnen oder machen Sie damit nennenswerten Umsatz?
Der Service wird sehr gut angenommen – viel besser als erwartet. Wir sind auch positiv überrascht, wie viele unserer Kunden einen „Personal Shopping“-Termin vereinbaren und sich Ihre Outfits vor Ort in einer unserer Filialen abholen wollen, um dort von exklusiven Vorteilen profitieren zu können. Das ist unser primäres Ziel: die Ergänzung und Stärkung unseres stationären Angebotes.
Natürlich ist es insbesondere das Ziel des Multichannel-Teams, auch stand-alone schnell zu wachsen und einen signifikanten Beitrag zum Unternehmensergebnis zu liefern – und zwar nicht nur Umsatz, sondern auch Profit. Diesbezüglich stehen wir erst am Anfang und tragen momentan noch verhältnismäßig wenig bei – verglichen zu unseren 35 Häusern, die zum Teil schon über 80 Jahre erfolgreich am Markt bestehen. Wenn wir jedoch weiterhin unsere Wachstumsambitionen übererfüllen, wird unser Beitrag binnen ganz weniger Jahre signifikant sein. Darüber hinaus haben wir bei WÖHRL weitere konkrete digitale Wachstumsfelder definiert und sehen uns erst am Anfang der Kommerzialisierung.
Last-but-not-least ist es sehr erfreulich, dass aufgrund des hohen Warenwertes sowie der überschaubaren Retourenquoten, die wir insbesondere aufgrund unseres starken CRM-Systems und der großen Erfahrung unserer myoutfit-Experten erreichen, das operative Geschäft von myoutfit vom ersten Tag an profitabel ist.
Was ist zukünftig die größte Chance im Einzelhandel? Welche Entwicklung birgt das größte Risiko?
Wir nehmen bereits heute merkliche Tendenzen wahr, dass die Kunden in Zeiten der immer weiter und in allen Lebensbereichen fortschreitenden Digitalisierung sich auch wieder persönliche und individuelle (Einkaufs-)Erlebnisse vor Ort wünschen. Das ist die Chance uns auf der Grundlage unserer jahre- bzw. jahrzehntelangen Kundenbeziehungen erfolgreich gegenüber Pure Playern zu differenzieren. Denn der Kunde erwartet heute mehr als „nur“ günstige Preise oder kompetente Beratung. Das Stichwort „Einkaufserlebnis“ wird immer wichtiger. Der stationäre Handel muss sich hier kontinuierlich weiterentwickeln. Wichtig ist hier aber auch, dass sich Städte und Kommunen stärker dem Thema Standortattraktivität annehmen und gemeinsam mit dem Einzelhandel attraktive und lokale Lösungen erarbeiten.