„Ein erklärungsbedürftiges Produkt im Multichannel!“

Jens-Peter Klatt

Head of Multichannel Mister Spex GmbH

Interviewbild Jens-Peter Klatt

Jens Peter Klatt arbeitete nach dem BWL Studium in Wuppertal im mittelständischen Groß- und Einzelhandel in Norddeutschland ehe er sich selbstständig machte und u.a. als Franchisepartner für Checkpoint Systems tätig war. Bei eyes + more war er bis 2014 als Geschäftsführer der deutschen Gesellschaft für die Expansion in Deutschland und Österreich verantwortlich. Seit 2015 steuert er bei Mister Spex alle Offline-Aktivitäten des Unternehmens.

Brille: Ein erklärungsbedürftiges Produkt im Multichannel.

Was sind für Sie aktuell die drei wichtigsten Herausforderungen mit Blick auf den Trend zu Seamless Shopping über mehrere Kanäle hinweg?

Zum einen ist eine einheitliche Markenpräsenz und die Identifikation mit dem Unternehmen bzw. dem Produkt sehr wichtig. Zum anderen besteht eine große Herausforderung darin, die Kunden und auch die Customer Journey über die verschiedenen Offline- und Online-Kanäle hinweg zu identifizieren. Zur Optimierung der Conversion Rate ist es absolut notwendig, alle Touchpoints des Kunden im Kaufprozess zu kennen – eine wahrlich nicht einfach Aufgabe.

Welche Besonderheiten sehen Sie für einen aktiven online Handel aufgrund der Besonderheit des Produkts Brille, z.B. der Notwendigkeit eines Sehtests?

Bei der Brille und insbesondere bei der Gleitsichtbrille handelt es sich um ein erklärungsbedürftiges Produkt. Hierbei ist es nicht nur wichtig, Kunden über Filter, die virtuelle Anprobe und unsere Ansichtsbestellung bestmöglich Hilfestellungen bei der Auswahl des passenden Gestells und den idealen Gläsern zu geben, sondern auch bei der Eingabe der korrekten Sehwerte. Wenn diese nicht vorliegen, unterstützen dabei über 550 Partneroptiker vor Ort. Sie führen Sehtests, Gleitsichtzentrierungen und Anpassungen durch und beraten bei der Auswahl eines geeigneten Glaspaars. Eigentlich ist es gar nicht so kompliziert, eine Brille online zu kaufen – und unsere Aufgabe besteht darin, dieses den (potenziellen) Kunden zu verdeutlichen.

Wie haben Sie Ihre stationären Partner-Optiker ausgewählt, und wie konnten Sie diese von der Zusammenarbeit mit Ihrem Unternehmen überzeugen?

Jeder Partneroptiker wurde von uns ganz individuell nach seiner Lage, der Ausstattung und aufgeschlossener Einstellung zur Zusammenarbeit mit einem Online-Händler ausgewählt und akquiriert. Dafür haben wir bei Mister Spex die Top 100-Städte definiert und die Verdichtung der jeweiligen Gebiete berücksichtigt. Die Betriebe befinden sich alle in gut bis sehr gut erreichbaren Geschäftslagen, es handelt sich immer um stationäre inhabergeführte Augenoptik-Fachgeschäfte sowie kleinere Filialbetriebe, jedoch nicht um Filialketten. Unsere Partner haben erkannt, dass die Zusammenarbeit eine echte Chance ist, um am E-Commerce zu partizipieren, Synergieeffekte zu nutzen und dass dem Multichannel-Geschäft die Zukunft gehört. Sie werden fair entlohnt und bekommen über Mister Spex ausschließlich Neukunden in ihre Läden, das haben interne Studien belegt.

Viele ältere Leute benötigen Standard Lesebrillen – Sie diese ein Verkaufsschlager bei Ihnen, oder sind Ihre Kunden dafür im Durchschnitt zu jung?

Tendenziell ist unsere Kundenstruktur eher jünger, die ältere Zielgruppe wächst aber überproportional. Für uns stehen Fertig-Lesebrillen jedoch nicht im Fokus, da Mister Spex individuell hochwertige Qualitätsbrillen anfertigt. Hierbei ist für unseren älteren Kunden insbesondere das Produkt Gleitsichtbrille interessant. Diese bieten wir im Vergleich zum stationären Handel viel günstiger an, jedoch (laut Stiftung Warentest, test 1/2015)) auch zu gleicher hoher Qualität.

Welche zentralen Veränderungen sehen Sie für das Shopping-Verhalten der Kunden in einigen Jahren, und was kommt nach der Verknüpfung der Kanäle?

Der Online-Handel ist weiterhin auf Wachstumskurs. Der stationäre Handel sollte sich darauf einstellen, dass Kunden vermehrt Angebote im Netz einholen. Hier wird es schwierig, offline dauerhaft konkurrenzfähig zu sein. Daher empfiehlt es sich, frühzeitig Alleinstellungsmerkmale, z.B. über spezielle Features zu identifizieren und zu kommunizieren. Wir glauben daran, dass dem Multichannel-Ansatz die Zukunft gehört. Nach der Verknüpfung kommt die Verschmelzung – Marken werden über mehrere Kanäle hinweg präsent sein und dasselbe Angebot offerieren.

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