„Kundenbindung durch Schuhanprobe!“

Thorsten Heckrath-Rose

Geschäftsführer / Managing Director Rose Bikes

Interviewbild Thorsten Heckrath-Rose

Thorsten Heckrath-Rose, Jahrgang 1973 und Geschäftsführer der ROSE Bikes GmbH. Ausbildung zum Betriebswirt an der VWA in Münster. Seit 2001 bei ROSE mit Schwerpunkten in Marketing und IT, darunter vor allem Omnichannel-Strategie und Digitalisierung sowie ausserdem Produktmanagement Mountainbikes.

Multichannel, Omnichannel, No-Channel… Viele Begriffe beschreiben die Verknüpfung der Kanäle und verfolgen dabei unterschiedliche Philosophien. Wie definieren Sie die Verknüpfung der Kanäle und welche Ziele verfolgen Sie dahingehend mit ROSE BIKES?

Egal welcher Begriff verwendet wird: Wichtigster Punkt ist aus unserer Sicht, dass die genutzten Kanäle ohne Medienbruch verknüpft werden. Ein einheitliches Kauferlebnis, über alle Kanäle funktionierende Services und eine übergeordnete Kommunikationsstrategie stehen dabei im Mittelpunkt. Den Kunden interessieren Kanäle nicht. Er sucht Produkte oder Services und kommuniziert, wie und mit wem er möchte und entscheidet dabei oft intuitiv. Bin ich nicht präsent, findet er mich nicht. Schränke ich Services über bestimmte Kanäle ein, ist das genau die Form von Bruch, die die Kundenbeziehung stört.

ROSE BIKES ist in Punkto Digitalisierung des POS als Best Practice häufig genannt. Warum sehen Sie insbesondere bei Sportartikelhändlern viel Potential für Digitalisierung des POS, und was raten Sie Händlern, die die Digitalisierung des POS planen?

Entscheidend ist, dass man sich über Alleinstellungsmerkmale oder besondere Services, die einen vom Mitbewerber abgrenzen, im Klaren ist. Wenn sich dies dann noch in einer Form digitalisieren lässt, die dem Kunden einen Vorteil bietet und dabei vielleicht sogar Vertriebskanäle verknüpft, hat man einen guten Ansatz. Bei uns ist das das Alleinstellungsmerkmal, dass Fahrräder kundenindividuell konfiguriert werden. Das bringt den Vorteil, dass das Rad ergonomisch auf den Kunden abgestimmt wird, technische Vorlieben berücksichtigt werden können und das Budget des Kunden eingehalten wird. Dies lässt sich zum Beispiel perfekt kanalübergreifend verknüpfen. Der Kunde startet eine Konfiguration im Onlineshop und nimmt zwecks intensiverer Beratung vor Ort die Konfiguration mit in einen der ROSE BIKETOWN Stores. Dort kann mit einem Berater weiter an der Konfiguration gearbeitet werden. Oder als weiteres Beispiel die Fußvermessung: Radschuhe müssen perfekt sitzen, um eine optimale Kraftübertragung per Klicksystem auf das Pedal zu gewährleisten. Wir vermessen in den Stores die Füße mit einem speziellen Kamerasystem, erstellen ein 3D-Modell und gleichen mit den ebenfalls vermessenen Schuhen ab. Diese Ergebnisse stellen wir den Kunden online ebenfalls zur Verfügung und ermöglichen so eine virtuelle Schuhanprobe. Dies schafft Bindung, stärkt die Kundenbindung, erhöht die Conversion und senkt die Retourenquote. In jedem Fall ist Technik oder Digitalisierung nicht zwingend gut. Es muss Nutzen oder Convenience mit sich bringen.

Wenn Sie über Ihre nächsten Schritte nachdenken… Werden Sie weitere Technologien und Innovationen umsetzen im Sinne eines „Technology Push“? Oder ist der Zeitpunkt gekommen, dass ein „Market Pull“ erzeugt werden muss, damit die Kunden die Digitalisierung überhaupt aufnehmen können? 

Da viele der Ideen sehr neu sind, müssen wir häufig selbst durch intensive Kommunikation daran arbeiten, die Vorteile und den Nutzen vorzustellen. Das geht nicht von heute auf morgen, sondern erfordert Durchhaltevermögen. Den meisten Radfahrern ist zum Beispiel nicht bekannt, dass man nicht zwingend ein Rad aus einer Ausstellung kaufen muss, sondern es individuell anpassen kann. Oder dass es Messverfahren gibt, die den Kauf von Schuhen erheblich verbessern und dann sogar auch online Vorteile bieten durch bessere Empfehlungen und auch durch weniger Retourenaufwand, da man seltener Pakete zurückschicken muss. Vorteilhaft ist es, wenn zumindest die Technik selbst dem Kunden vertraut ist, wie zum Beispiel beim Einsatz von Touch-Technologie. Wer dann einmal auf den Geschmack gekommen ist und die Vorteile kennengelernt hat, wird schnell zum Stammkunden. Dadurch stärken wir unsere Alleinstellungsmerkmale nochmal deutlich und vergrößern gleichzeitig die Unterschiede zum Wettbewerb.

Welche zentralen Veränderungen sehen Sie für das Shopping-Verhalten der Kunden in einigen Jahren bzw. was kommt nach der Verknüpfung der Kanäle?

Individualisierung von Angeboten, eine noch stärkere persönliche Ansprache und passende Community-Angebote sind aus meiner Sicht die großen Chancen des Handels – egal ob on- oder offline. Einige dieser Themen sind technologiegetrieben, neue Fertigungsverfahren werden hier viele spannende Möglichkeiten bieten. Viele Dinge werden aber auch davon abhängen, wie gut man seine Kunden kennt und wie man es schafft, einen bestmöglichen persönlichen Service zu bieten. Dazu gehört definitiv nicht nur der professionelle Umgang mit der Datenflut, die uns umgibt, sondern vor allem der persönliche Umgang mit Menschen und dass wir es schaffen, Shopping zum Erlebnis zu machen und dabei einen Mehrwert für Freizeitgestaltung und Hobby zu bieten.

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