„Google, eBay, Amazon oder Microsoft sind längst von der ,Mobile-First‘- in die ,AI-First‘-Ära übergegangen“

Maike Strudthoff

Digital Innovation Coach, Futurist, Author, Speaker

Interviewbild Maike Strudthoff

Spezialisiert auf digitale Technologien sowie Commerce & Payment 3.0, unterstützt Maike Strudthoff Unternehmen in Europa, die Zukunft der Digitalisierung zu antizipieren und für sich zu gestalten – nahe am Kunden und mit schlanken Methoden. Sie analysiert Innovationen und disruptive Unternehmen rund um die Welt, trägt die Erkenntnisse auf der inno-insight Plattform zusammen und gibt diese in Reports, Workshops und Vorträgen weiter. Regelmäßig veröffentlicht sie Beiträge über Mobile Payment in Online und Offline Medien sowie Buchbeiträgen. Mobile Innovation ist nicht nur ihre Arbeit, sondern auch ihre persönliche Leidenschaft.

Zu Beginn eine persönliche Frage: Welchen Teil Ihrer Einkäufe im stationären Einzelhandel bezahlen Sie per Smartphone und warum wählen Sie diese Art der Bezahlung?

Den genauen Anteil an der Anzahl der Zahlungen oder am Betragsvolumen habe ich nie beziffert und beides variiert auch über die Zeit. Nachdem ich unterschiedliche Zahlungsverfahren auf dem Smartphone für In-Store-Einkäufe getestet habe, ist auf Dauer nur ein einziges erfolgreich in meine Alltagsgewohnheiten übergegangen: es ist die Zahlung per Smartwatch für kleine, schnelle Einkäufe eines Mittagssnacks im Supermarkt, für eine Zeitung am Bahnhof, für eine Cola am Automaten, also immer dann, wenn ich es zu kompliziert empfinde, extra mein Portemonnaie aus der Tasche zu suchen. Mit dem Smartphone selbst zahle ich fast nie stationär – zu kompliziert.

Welche sind für Sie die drei wichtigsten Hemmnisse für Mobile Payment im Einzelhandel in Deutschland?

Aus eigener Erfahrung sowie aus mehrfachen Studien unter Nutzern in unterschiedlichen Ländern kommt immer wieder ein ähnliches Bild: das mobile Bezahlen offeriert keine wirklichen Vorteile, ist manchmal sogar komplizierter als die Zahlung per Karte oder Bargeld. Wenn Mobile Payment nicht schneller, einfacher oder besser als die bisherige Lösung wahrgenommen wird, warum soll ein Nutzer sein Verhalten ändern? Es muss also weiter an den Mehrwerten der Mobile-Payment-Angebote gearbeitet werden. Payment darf dabei nicht isoliert betrachtet werden, sondern ist integraler Bestandteil von Ende-zu-Ende Einkaufserfahrungen. Es gibt digitale Nutzergruppen, die mobil-digitale Services für alles nutzen, sobald die Customer Experience besser ist als der bisherige Ablauf. Im stationären Handel in Deutschland wird hier vergleichsweise noch wenig getan. Ich meine damit nicht Marketing-Spielereien, sondern die echte Digitalisierung der Einkaufserfahrung entlang von echten Kundenproblemen. Diese aufzuspüren, ist die Kunst – zu oft wird der zweite Schritt vor dem ersten gemacht und mit der Lösungsidee begonnen.

Wie würden Sie Kunden gegenüber argumentieren, die aufgrund von Datenschutzbedenken kein Mobile Payment verwenden?

Das ist aktuell die falsche Zielgruppe. Es wäre schon ein großer Fortschritt, wenn die digital-affinen Early Adopter sinnvolle Lösungen bekommen würden und nutzen könnten. Allen Kunden gegenüber muss man natürlich transparent die Datennutzung kommunizieren.

Welche sind für Sie die drei wichtigsten Punkte, die Einzelhandelsunternehmen zum Trend Kryptowährungen (z.B. Bitcoin) wissen sollten?

Ich sehe Kryptowährungen wie Bitcoin für die Mehrheit der Einzelhandelsunternehmen bisher nicht als prioritäres Thema. Viel interessanter ist die Technologie hinter Bitcoin, die sogenannte Blockchain. Damit lassen sich ganz andere Probleme und Herausforderungen unserer Zeit lösen, wodurch die Digitalisierung vorangetrieben wird. So arbeiten zum Beispiel namhafte Lebensmittelkonzerne an einem Blockchain-System, welches die Herkunft von einzelnen Produktpaletten in Sekunden transparent aufzeigt und Händlern bei Lebensmittelverunreinigungen sofort Rückversicherung geben kann, ob sie betroffen sind.

Welche zentralen Veränderungen sehen Sie im Hinblick auf Mobile Payment und Kryptowährungen für das Shopping-Verhalten der Kunden in einigen Jahren?

Eine der größten Herausforderungen der nächsten Jahre wird die Einbindung von künstlicher Intelligenz (KI/engl. AI), dem Internet der Dinge und Big Data in die Shopper Experiences sein. Digitale Giganten wie Google, eBay, Amazon oder Microsoft sind längst von der „Mobile-First“-Ära in die „AI-First“-Ära übergegangen. Die digitalen Vorreiter untersuchen jeden Winkel ihres Geschäfts und stellen die Frage, ob und wie KI Verbesserungen bringen kann. Unternehmen, die diese Optimierungen spürbar für den Kunden in eine integrierte Einkaufserfahrung inklusive Zahlung einbringen können, werden sich Wettbewerbsvorteile aufbauen. Ob die Zahlung dann mobil, anders digital, per Kryptowährung oder ohne Zutun des Kunden automatisiert im Hintergrund abläuft, ist da eher zweitrangig.

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