„Eine Unterscheidung zwischen Online- und Offlinekäufern ist nicht mehr angebracht.“

Jürgen Gassner

Bereichsleiter Einkauf & E-Commerce bei TRIGEMA Inh. W. Grupp e.K.

Interviewbild Jürgen Gassner

Jürgen Gassner blickt auf über 10 Jahre Berufserfahrung im E-Commerce zurück. Seit 2009 ist er Bereichsleiter Einkauf & E-Commerce bei TRIGEMA Inh. W. Grupp e.K., Deutschlands größtem Hersteller von Sport- und Freizeitbekleidung. In seiner Position verantwortet er die Abteilungen Zentraleinkauf und E-Commerce mit Führung, Planung und Steuerung der strategischen und operativen Prozesse. Zudem ist er für diverse Wachstums- und Optimierungsprojekte im Zuge der digitalen Transformation des Unternehmens zuständig. Im Anschluss an sein Studium an der Württembergischen VWA Stuttgart, hat er sein Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Steinbeis University Berlin erfolgreich beendet. Zudem führt er seit Anfang 2016 ein berufsbegleitendes Studium an der Schweizer Universität St. Gallen (HSG) durch, wo er voraussichtlich 2017 mit dem Titel Executive MBA HSG in General Management abschließen wird.

Was sind für Sie aktuell die drei wichtigsten allgemeinen Herausforderungen mit Blick auf den Trend zu Seamless Shopping über mehrere Kanäle hinweg?

  1. Die richtigen Inhalte
  2. zur richtigen Zeit
  3. am richtigen Ort.

Welche speziellen Herausforderungen für traditionelle und inhabergeführte Unternehmen wie TRIGEMA gibt es?

Wir haben einerseits die klassischen Herausforderungen, mit denen sich heutzutage die meisten Unternehmen beschäftigen müssen, wie z. B. Digitalisierungs-Themen. Wir haben aber andererseits auch spezielle Herausforderungen wie den irgendwann anstehenden Generationswechsel in unserem Hause. Nichtsdestotrotz blicken wir positiv in die Zukunft und betrachten dies gleichzeitig als Herausforderung und Chance. Unser alleiniger Inhaber und Geschäftsführer Wolfgang Grupp hat hier fast 50 Jahre lang an seinem Lebenswerk gearbeitet, welches in der Form gewiss beispiellos in der Textilbranche ist. Selbstverständlich ehren wir das, auch dadurch, dass wir seinen Grundsätzen und Werten auch zukünftig treu bleiben werden, die in der Form von ihm seit vielen Jahrzehnten vorgelebt werden.

Welche Rollen spielen in Zukunft der stationäre Handel und der Online-Shop? Welche Aufgaben müssen beide erfüllen und gibt es Aufgaben die exklusiv bleiben?

Obwohl sich E-Commerce mit stationärem Handel gut ergänzen kann, gehe ich nicht davon aus, dass bestimmte Aufgaben langfristig exklusiv bleiben. Eine Unterscheidung zwischen Online- und Offlinekäufern ist nicht mehr angebracht. Die Kunden möchten heutzutage eigenständig entscheiden, wie und wo sie sich vorab Informationen beschaffen, Produkte einkaufen oder die Produkte wieder retournieren. Sie implizieren bereits, dass alle Vertriebskanäle der Unternehmen miteinander verbunden sind. Mittelfristig gibt es aber natürlich noch die ein oder andere technologische Hürde. Bei uns in der Bekleidungsbranche haben die stationären Geschäfte zum Beispiel den Vorteil der Haptik, weil die Produkte und folglich Stoffqualitäten anfassbar, also spürbar, sind. Generell würde ich aber sagen, flexibel und transparent auf die jeweiligen Kundenbedürfnisse zu reagieren gilt als wesentliche Aufgabe für den stationären Handel und auch für den Online-Shop. Hierfür sind natürlich vollumfänglich integrierte Trackinglösungen genauso elementar wie der zweckmäßige Umgang mit den gewonnenen Daten, um herauszufinden welche Bedürfnisse der Kunde hat und zwar im besten Fall noch bevor es der Kunde selbst weiß. Dies ist sicherlich die Königsdisziplin in der Customer-Journey-Betrachtung und auch Ausgangsbasis für effizientes Data-Driven-Marketing und konsequente Touchpoint-Optimierung. Also weg vom altbewährten Denken in Kanälen hin zum „Rundum-Kunden-Verständnis“.

Wie können kleinere Onlineshops, wie der von TRIGEMA, gegen die großen Onlineshops mit vielen unterschiedlichen Marken bestehen?

Wir betrachten die großen Onlineshops mit vielen unterschiedlichen Marken nicht als Konkurrenz. Wir sind selbst Marke, vornehmlich aber erstmal Textilproduzent mit einer besonderen, um nicht zu sagen sehr außergewöhnlichen, Firmenphilosophie. Wir produzieren alle unsere Produkte zu 100 Prozent Made in Germany und haben dadurch in der Textilbranche ein radikales Alleinstellungsmerkmal von dem viele andere Unternehmen nur träumen können. Wir gewährleisten dadurch sowohl ökologische, ökonomische und auch soziale Nachhaltigkeit – und das nicht erst seit alle möglichen Unternehmen meinen sich ein „grünes Image“ auf die eigene Fahne schreiben zu müssen. Wir gewährleisten Nachhaltigkeit bereits seit Anbeginn unserer Geschäftstätigkeit. Nicht umsonst sind viele unserer Kunden „Überzeugungstäter“, die unsere Produkte mit gutem Gewissen kaufen und dabei auch explizit unsere Unternehmensphilosophie unterstützen. Dank diesen Gegebenheiten heben wir uns von den anderen Onlineshops ab und treten deshalb auch nicht in direkte Konkurrenz zu ihnen.

Welche zentralen Veränderungen sehen Sie für das Shopping-Verhalten der Kunden in einigen Jahren und was kommt nach der Verknüpfung der Kanäle?

Da wird es diverse Themen geben. Das mobile Internet wird immer stärker, die automatische Wissensverarbeitung und zunehmende Markttransparenz ebenso. Das Internet der Dinge steht in den Startlöchern und ein für uns ebenfalls spannender Bereich und gleichzeitig ein Megatrend ist das Thema fortschreitende Individualisierung, was unserer flexiblen Produktion in Deutschland ja sprichwörtlich in die Karten spielt, bspw. speziell im Hinblick auf individualisierte Produkte und Dienstleistungen. Zudem wird sich unsere Gesellschaft auch irgendwann mit virtuellen und erweiterten Realitäten auseinandersetzen müssen, auch wenn das sicherlich noch einige Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte dauern wird, bis dabei eine ausreichende Marktdurchdringung stattgefunden hat. Nicht nur im Bereich Shopping wird es dadurch komplett neue, interessante Ansätze geben. Die Entwicklung könnte sich vielmehr disruptiv auf alle erdenklichen Branchen und Lebensbereiche auswirken.

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